Tennis? War lange egal. Jetzt spielt es wieder eine Rolle: In der Mode und im Leben. Von Ijoma Mangold
(ZEITmagazin Nr. 9/2016 8. März 2016)
Das Glück liegt auf dem Tennisplatz
Weniges ist so befriedigend, wie einem Ball hinterherzurennen. Besonders wenn es sich dabei um einen Tennisball handelt. Denn dieser ist schnell und seine Flugbahn so komplex, dass man sie durch bewusstes Denken nicht vorwegnehmen kann. Aber genau das ist die Quelle des Glücks beim Tennis: Das Unbewusste antizipiert die Ballistik und dirigiert den eigenen Körper in die genau richtige Stellung, ohne dass der Verstand hinterherkäme. Wenn alles gut läuft, bewegt man sich über den Platz wie ferngesteuert. Das Wunder, den Ball in der richtigen Stellung angenommen zu haben, wird dann noch belohnt durch eine Akustik, die euphorisierender ist als das Knallen von Champagnerkorken: das satte Aufprallgeräusch, mit dem der Schläger dem Ball einen Richtungswechsel aufzwingt.
Als ich das erste Mal auf einem Tennisplatz stand, war ich bereits 40 Jahre alt. Damals habe ich manches für möglich gehalten, zum Beispiel dass mein Leben noch weitere 40 Jahre dauern würde, aber dass es in diesem Alter möglich sein könnte, dem Leben noch einmal einen richtig neuen Reiz abzugewinnen, das hielt ich für unwahrscheinlich. Aber so ist es gekommen. Wenn ich auf dem Tennisplatz stehe, gibt es keine Sinnkrisen und keine Zweifel am eigenen Tun. Ich verspüre allenfalls einen leichten Stich im Herzen bei dem Gedanken, dass ich nie so gut sein werde wie meine Vereinsfreunde, die schon als Heranwachsende an diesen wunderbaren Sport herangeführt wurden. In solchen Momenten muss ich mir dann sagen, dass das Vergnügen, das Tennis bereitet, sich nicht proportional zum Können steigert. Die rauschhafte Ekstase, die Trance, über den Platz zu gleiten, den letzten Meter auf dem Sand zu rutschen und gegen alle Wahrscheinlichkeit den Ball doch noch mit einem Slice zu erwischen, war in meinem ersten Jahr auch nicht geringer als in meinem vierten. Wenn ich aber auf dem Nachbarplatz sehe, mit welch schlafwandlerischer Lässigkeit und Anmut zwei Zehnjährige sich die Bälle um die Köpfe schlagen, muss ich mich zusammenreißen, um nicht zu ihnen zu gehen, ihnen auf die Schulter zu klopfen und ihnen mit schmierig-onkelhafter Sentimentalität zu sagen: “Wisst ihr eigentlich, was für ein Glück ihr habt, dass ihr von klein auf Tennis spielt?”
(geschrieben von Trainer)